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Diesel-Abgasskandal: Auch der EuGH erklärt Abschalteinrichtungen für unzulässig

Fachbeitrag im Verkehrsrecht

EuGH-Urteil vom 17.12.20 erklärt Abschalteinrichtungen für unzulässigt Nach dem Bundesgerichtshof hat sich nunmehr am 17.12.2020 auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) grundsätzlich zur Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen geäußert.

5 Jahre nach Bekanntwerden des VW-Dieselskandals hat damit auch der EuGH die umstrittene Abgas-Software des Herstellers VW für illegal erklärt.

Das BGH-Urteil vom 25.05.20

Bereits am 25.05.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) VW dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (BGH, Az.: VI ZR 252/19). Der BGH hat in dieser Entscheidung dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach zugestanden und im Rahmen der Urteilsbegründung deutlich klargestellt, dass VW seine Kunden dadurch täuschte, dass der Konzern zahlreiche Kraftfahrzeuge mit einer illegalen Abschalteinrichtung in den Verkehr brachte. Dabei geht der VI. Zivilsenat von einer Täuschung auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern aus, die ihr Kraftfahrzeug nicht einmal bei VW-Vertragshändlern erworben haben.

Hintergrund des EuGH-Urteils vom 17.12.20

Infolge der Enthüllungen gegen VW in der Presse leitete auch die Staatsanwaltschaft von Paris Untersuchungen ein, wobei ein Ermittlungsverfahren gegen VW in Gang gesetzt wurde. Die mutmaßliche Straftat sollte dabei darin gesehen werden, die Erwerber von Dieselmotor-Fahrzeugen über wesentliche Eigenschaften dieser Fahrzeuge und über die vor deren Inverkehrbringen durchgeführten Prüfungen getäuscht zu haben. Die fraglichen Fahrzeuge wurden herstellerseits mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) ausgestattet. Ein derartiges System wird von den Automobilherstellern zur Kontrolle und Reduzierung der endgültigen NOx-Emissionen zwar häufig zulässigerweise verwendet. Ein technisches Gutachten, das im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erstellt wurde, gelangte jedoch vorliegend zu dem Ergebnis, dass die betroffenen Fahrzeuge über eine Einrichtung verfügen, die es ermöglicht, die Phasen der Zulassungstests zu erkennen und infolgedessen die Funktion des AGR-Systems so anzupassen, dass die vorgeschriebene Emissionsgrenze eingehalten wird.

Vor dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge wurden in einem Laborzulassungstests anhand verschiedener technischer Parameter und einem vordefinierten Zyklus – dem sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) – unterzogen. Diese Tests sollen unter anderem dazu dienen, die Höhe der NOx-Emissionen und die Einhaltung der in der Verordnung Nr. 715/20071 festgelegten Grenzwerte zu überprüfen.

Nach dem Ergebnis des Gutachtens führt die verwendete Einrichtung unter anderen Bedingungen als den Zulassungstests – konkret also im normalen Fahrbetrieb – zu einer (teilweisen) Deaktivierung des AGR-Systems und damit zu einer Erhöhung der NOx-Emissionen. Die Fahrzeuge hätten nach dem Bericht des Sachverständigen erheblich weniger NOx erzeugt, wenn das AGR-System bei realem Fahrbetrieb so funktioniert hätte, wie bei den Zulassungstests.

Kernfrage: Was ist eine „Abschalteinrichtung“?

In seinem Urteil vom 17.12.2020 führt der EuGH aus, dass zunächst zu prüfen sei, ob eine in den Rechner zur Motorsteuerung integrierte oder auf ihn einwirkende Software ein „Konstruktionsteil“ im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007 und demnach eine „Abschalteinrichtung“ darstelle. Der Begriff des „Konstruktionsteils“ wird in der Verordnung nämlich nicht definiert. Im Ergebnis bejaht der EuGH diese Frage, was als richtungsweisend für die abschließende Entscheidung angesehen werden kann.

Negativ verbeschieden hat der EuGH in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob der grundsätzlich unzulässige Einbau der Abschalteinrichtung, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert, vorliegend gerechtfertigt werden kann. Eine derartige Rechtfertigung kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn sie dazu dient, den Motor vom plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen – mit dieser Rechtfertigung wurde herstellerseits der Einbau der Software in der Regel begründet.

Eine Abschalteinrichtung – so der EuGH – die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessere, damit die in der Verordnung festgelegten Emissionsgrenzen eingehalten werden und so die Zulassung dieser Fahrzeuge erreicht wird, falle jedoch nicht unter die Ausnahme von dem in der Verordnung aufgestellten Verbot solcher Einrichtungen – selbst dann, wenn die Einrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern.

Der EuGH hat damit im Wesentlichen zwei Fragen geklärt:

– Handelt es sich bei der Software um eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne der Verordnung Nr. 715/2007?

– Ist die Verwendung einer derartigen EU rechtswidrigen Abschalteinrichtung deswegen gerechtfertigt, weil sie nötig ist, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfall zu schützen oder den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten?

Die Frage der Abschalteinrichtung hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 17.12.2020 nunmehr bejaht, die der Rechtfertigung verneint: Ein Hersteller dürfe keine Abschalteinrichtung einbauen, die im Typengenehmigungsverfahren im Gegensatz zum Realbetrieb systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emission verbessert.

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils

Mit dieser Entscheidung hat der EuGH nunmehr weitere Rechtssicherheit und stärkt langfristig die Rechte der Verbraucher.

Ob diese Entscheidung Betroffenen auch dabei hilft, Schadensersatzansprüche gegen andere Hersteller durchzusetzen, bleibt abzuwarten. Diese Entscheidung dürfte nämlich nicht zwingend auch bedeuten, dass Verbraucher den Kauf eines Fahrzeugs mit Thermofenstern automatisch dazu berechtigt sind, den Kauf rückabzuwickeln oder Schadensersatz zu fordern. Bereits in den Verfahren gegen VW hat sich nämlich gezeigt, dass die vom Verbraucher nachzuweisende arglistige Täuschung mit dem Ziel, die Abgaswerte auf dem Prüfstand zu verbessern, häufig problembehaftet sein kann.

Jedenfalls aber bringt diese Entscheidung viel Wasser auf die Mühlen der betroffenen Verbraucher und stößt die Türen für weitere Schadensersatzansprüche weiter auf.


Die Rechtsanwaltskanzlei Reissner Ernst & Kollegen
vertritt Geschädigte aller betroffenen Hersteller in einer Vielzahl von außergerichtlichen und gerichtlichen Fällen. In der Regel können die anfallenden Kosten über die Rechtsschutzversicherung abgerechnet werden. Rechtsanwalt Udo Reissner kann als Fachanwalt für Verkehrsrecht und ADAC-Vertragsanwalt in Starnberg auf eine Vielzahl von Entscheidungen zurückgreifen und das Prozessrisiko realistisch einschätzen.

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